Was systemisches Coaching ausmacht und was es nicht ist - ein Überblick
Coaching ist mittlerweile in aller Munde. Der Markt ist voll von sogenannten „Lifecoaches“, Businesscoaches, Finanzcoaches, usw. Gar nicht so einfach, hier noch den Überblick zu behalten und unterscheiden zu können, bei welchem Coaching der systemische Ansatz verfolgt wird und welches Coaching eher eine Beratung darstellt, im Kern aber eigentlich nichts mit Coaching im herkömmlichen Sinn zu tun hat. Bevor wir uns die Definition von systemischem Coaching genauer ansehen, möchte ich zu Beginn ein Bild aufgreifen, welches SONJA RADATZ in ihrem Buch „Einführung in das Systemische Coaching“ beschreibt und welches für mich sehr gut zusammen fasst, was systemisches Coaching bedeutet: Systemisches Coaching [Zitat]
„ist ein Tanz zwischen Coach und Coachee, bei dem der Coach dem Coachee die passenden Fragen stellt, damit letzterer – im gemeinsamen Tanz – passende Lösungen zu dem von ihm angesprochenen Problem bildet.“
Dies ist aus meiner Sicht auch der größte Unterschied zwischen Coaching und Beratung. Der Coach* gibt keine Ratschläge, er führt den Coachee durch geschickte Fragen, die zur Selbstreflexion anregen, zur für ihn passenden Lösung. Die Lösung oder der Lösungsweg werden dabei nich vorgegeben, denn wir Menschen tragen die Lösung für unsere Probleme bereits in uns. Oft schaffen wir es jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht, selbst den Lösungsweg zu sehen und zu gehen. Hier kann der Coach Impulse setzen und den Coachee ermutigen, die Perspektive zu wechseln, das Problem aus anderen Blickwinkeln zu betrachten und mutig neue Wege zu gehen.
Systemisch denken bedeutet zu erkennen, dass alles mit allem vernetzt ist. Es gibt nicht nur eine Ursache für ein Problem bzw. wird generell nie nach Ursachen oder Schuldigen gesucht. Ebenso wichtig ist es beim systemischen Ansatz, dass man erkennt, dass man die Veränderung nur bei sich selbst beginnen kann und nicht bei den anderen. Durch die Veränderung des eigenen Verhaltens oder Denkens, verändert sich automatisch auch etwas bei den Anderen, denn im System hängt alles zusammen. Die Grundlage von systemischem Coaching ist darüber hinaus Lösungsorientierung und Zukunftsfokus sowie Konzentration auf eigene Ressourcen und Stärken, weg vom Mangel.
Im systemischen Coaching wird in der Regel der konstruktivistische Ansatz verfolgt. Der Konstruktivismus geht davon aus, dass die Wirklichkeit, die wir wahrnehmen, immer eine konstruierte und keine objektive Wirklichkeit ist. Menschen tun immer das, was für sie im Moment am meisten Sinn macht, es macht somit keinen Sinn ihnen zu erklären, dass etwas anderes sinnvoller wäre oder dass sie etwas anderes tun müssen. Probleme werden von uns selbst konstruiert und sind zeit- und situationsabhängig. Jeder Mensch konstruiert seine eigene Geschichte und wir sehen und glauben in erster Linie das, was wir sehen und glauben wollen. Der Coach kann den Coachee einladen, die Geschichte neu zu erzählen und weg vom schwarz-weiß Denken zu kommen. Das Ziel im systemischen Coaching ist gezielte Selbstreflexion und die Arbeit an eigenen Mustern, Glaubenssätzen, Handlungen und Gedanken.
Oft werde ich gefragt: „Katrin, was bedeutet Coaching für dich, warum machst du das?“ Ich antworte darauf, dass es mir Spaß macht zu sehen, wie durch minimale Veränderung oft maximale Wirkung erzielt werden kann. Meine Rolle als systemischer Coach verstehe ich als Impulsgeberin, die Mut macht, die Perspektive zu wechseln und neue Dinge auszuprobieren. Ich sehe mich als Sparringpartnerin, die durch gezielte Fragen Lösungswege aktivieren kann und dem Coachee zu mehr Leichtigkeit und Gelassenheit verhelfen kann. Anstatt durch Ratschläge Druck auf den Coachee aufzubauen, versuche ich im systemischen Coaching Druck herauszunehmen. Alle Lösungen sind erlaubt, es gibt keine Bewertung oder Abwertung und alle Gefühle und Emotionen dürfen sein und offen angesprochen werden. Mir ist vor allem wichtig, dass Gefühle und Emotionen Platz im Coaching bekommen, denn oft werden diese im (Berufs-)alltag unterdrückt und zur Seite geschoben, bis die Unzufriedenheit so groß ist, dass man es nicht mehr aushält.
Wozu dient also systemisches Coaching?
Nun, unsere Welt wird nicht nur immer komplexer und immer schnelllebiger, sondern auch immer unsicherer. Veränderung und Wandel stehen an der Tagesordnung, eine Flut an Informationen prasselt jeden Tag auf uns ein und ein heute aufgestellter Plan kann morgen schon wieder obsolet sein. Dies fordert von uns allen täglich enorm viel Energie und Veränderungsbereitschaft. Nicht umsonst erfahren Seminare und Workshops zum Thema „Resilienz“ aktuell einen regelrechten Boom.
„Coaching ist gebuchte Zeit für sich selbst“
Dieses Zitat von SABINE PROHASKA finde ich sehr schön, denn in der Hektik des (Arbeits-)Alltags vergessen wir oft auf unsere Bedürfnisse, Ziele und Werte, die uns ausmachen und geraten so aus der Balance. Leistungsdruck und der Druck zur ständigen Selbstoptimierung können uns Angst machen und verunsichern – umso wichtiger wird es also künftig sein, seine eigenen Stärken und Werte zu kennen und zu schätzen zu wissen.
Vor allem aber auch im Arbeitsleben gibt es genug Themen, die man sich im Coaching ansehen kann, denn Coaching dient zur eigenen Entwicklung und damit, sich bewusst mit sich auseinander zu setzen. Im Coaching kann man lernen, wie Lösungsorientierung funktioniert und wie man künftig mit ähnlichen Problemen umgehen und Konflikte abfedern kann. Insbesondere die Rolle der Führungskräfte hat sich inzwischen gewandelt, weg vom Manager:der Managerin, hin zum Coach und zum:zur Entwickler:in. Daher ist es essenziell, dass eine moderne Führungskraft heut zu Tage vor allem Coachingkompetenzen und ein offenes Mindset mitbringt. Auch die Ansprüche der Mitarbeiter:innen haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Um motiviert zu sein, braucht es vor allem Sinnstiftung, Eigenverantwortung und Wertschätzung. Daher muss sich auch der Führungsstil entsprechend anpassen.
Wer Mitarbeiter:innen langfristig halten möchte, sollte sich also eher als Coach und Ermöglicher:in verstehen und den Mitarbeiter:innen Vertrauen schenken, sie gezielt in ihrer Entwicklung fördern, einbinden und transparente Kommunikation leben. Das heißt als moderne Führungskraft ist es essenziell Coaching-Kompetenzen mitzubringen und laufend an sich selbst zu arbeiten. Es braucht viel Ausdauer und Mühe, um den heutigen Führungsaufgaben gewachsen zu sein und das ist keine leichte Aufgabe. Doch wenn man es schafft, Empowerment zu leben und die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen ernst zu nehmen, kann vieles gelingen und erfolgreich werden.
Coaching ist also für Jedermann – ich empfehle, es einfach einmal auszuprobieren und zu schauen, was passiert 😉.
(*Anm.: Das Wort „Coach“ gilt gleichermaßen für alle Geschlechter)