Psychologischer Vertrag – Mythos oder echtes Hilfsmittel?

Reden ist Gold - Schweigen ist Silber

Wir alle kennen ihn und die meisten von uns haben in ihrem Leben schon einmal einen echten Arbeitsvertrag abgeschlossen. Der echte Arbeitsvertrag ist das vertragliche Regelwerk zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in, in dem Regelungen über Einstufung, Gehalt oder Kündigungsfristen enthalten sind. Der echte Arbeitsvertrag ist eine wichtige Basis, der die Zusammenarbeit regelt und Rechtssicherheit bietet. Doch worum handelt es sich beim psychologischen Vertrag? Dies erfahrt ihr im folgenden Beitrag:

Das Konzept des psychologischen Vertrags geht in etwa auf die 1960er bis 1980er Jahre zurück. Hauptvertreter sind unter anderem der Organisationspsychologe Edgar Schein, Harry Levinson oder Chris Argyris, einer der Begründer der Organisationsentwicklung. Chris Argyris hat in seinem Buch „Understanding Organizational Behavior“ (1960) als Erster den psychologischen Vertrag erwähnt, um so die soziale Beziehung zwischen Arbeitnehmer:innen und deren Vorarbeitern beschreiben zu können. Der psychologische Vertrag gilt als informelle Ergänzung zum echten Arbeitsvertrag und wird quasi als „Zusatzvertrag“ zum echten Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in geschlossen. Er beinhaltet gegenseitige Erwartungen und Wünsche im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, die weder schriftlich festgehalten noch rechtlich durchsetzbar sind. Typische Erwartungen auf Arbeitgeber:innen-Seite sind zum Beispiel, dass sich Arbeitnehmer:innen in die bestehenden Strukturen einfügen, dass sie loyal, flexibel und eigeninitiativ sind. Erwartungen von Arbeitnehmer:innen an ihre Arbeitgeber:innen können unter anderem sein: laufende Unterstützung, Wertschätzung, Fairness, Entwicklungsmöglichkeiten oder Schutz vor Über- und Unterforderung.

Damit Arbeitnehmer:innen Zufriedenheit am Arbeitsplatz empfinden, bedarf es der Erfüllung beider Verträge, des echten Arbeitsvertrags und des psychologischen Vertrags. Die Einhaltug des psychologischen Vertrags ist dabei ungleich schwieriger, da es sich um nicht greifbare, gegenseitige Erwartungen handelt, die nicht schriftlich festgehalten sind. Der psychologische Vertrag unterliegt zudem einem ständigen Wandel, denn durch persönliche Veränderungen der Arbeitnehmer:innen, kann es auch zu einer Änderung der Erwartungen kommen. Dinge die vorher nicht so wichtig waren, werden nun vordergründig und haben auf die Motivation und die Zufriedenheit eine unmittelbare Auswirkung. Genauso kann es auch innerhalb der Organisation zu Änderungen kommen, wodurch sich die Erwartungen auf Arbeitgeber:innen-Seite verändern. Gerade in der heute sehr schnelllebigen Welt stehen Veränderungen an der Tagesordnung. Veränderungsfähigkeit (auf beiden Seiten) und die Eigenschaft, Veränderungen anzunehmen und sich anzupassen, weden daher immer wichtiger.

Dennoch kann der psychologische Vertrag aus Sicht von Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in gebrochen bzw. verletzt werden. Auf Arbeitnehmer:innen-Seite geschieht dies zum Beispiel dann, wenn sich Vorgesetzte nicht um kooperative Führung bemühen, Arbeitnehmer:innen nicht einbinden, keine Zuwendung oder Interesse zeigen oder es keine gute Feedbackkultur gibt. Das Verhalten der direkten Vorgesetzten spielt dabei eine wichtige Rolle. Arbeitnehmer:innen, die einen Bruch des psychologischen Vertrags erleben, entwickeln negative Gefühle und Gedanken zum Unternehmen und die Motivation der Arbeitnehmer:innen lässt nach, wenn deren Erwartungen immer wieder enttäuscht werden. Die Verletzung des psychologischen Vertrags kann daher als eine der Hauptursachen für Innere Kündigung angesehen werden, da die Arbeitnehmer:innen versuchen durch Rücknahme der Leistung erneute Enttäuschungen zu vermeiden und so mit dem Vertragsbruch umzugehen.

Ein Beispiel soll veranschaulichen, wie es konkret zum Bruch des psychologischen Vertrags kommen kann: Wenn Expatriates ins Ausland entsandt werden, nehmen sie große Mühen auf sich. Zu einer Verletzung des psychologischen Vertrags kommt es aus deren Sicht einerseits, wenn das Unternehmen Leistungen zugesichert hat, die entweder verzögert oder gar nicht erfolgen. Andererseits kommt es zum Bruch, wenn Expatriates nach deren Rückkehr keine angemessene Anerkennung für ihre Leistung oder entsprechende Aufstiegsmöglichkeiten erhalten. Anerkennung ist nicht nur im vorliegenden Beispiel, sondern allgemein ein wesentliches Element und ein Motivationsfaktor im psychologischen Vertrag. Fehlende Anerkennung führt zu Enttäuschung, Innerer Kündigung oder am Ende zum Ausscheiden der enttäuschten Arbeitnehmer:innen. Der psychologische Vertrag ist somit kein abstrakter Mythos und dessen Inhalte wesentlich für eine funktionierende Zusammenarbeit.

Fazit: Kommunikation ist das Um und Auf!

 

Der psychologische Vertrag ist eine wichtige Grundlage im Arbeitsverhältnis und repräsentiert meist unausgesprochene, gegenseitige Erwartungen zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnhemer:in. Um zu vermeiden, dass der psychologische Vertrag gebrochen wird und die Motivation der Arbeitnehmer:innen sinkt, sollte bereits vor Beginn des Arbeitsverhältnisses offen über gegenseitige Erwartungen gesprochen werden. Dadurch können bereits zu Beginn böse Überraschungen und Enttäuschungen vermieden werden. Generell sollte eine Grundregel sein, dass bereits in Bewerbungsgesprächen auf Transparenz und Authentizität geachtet wird, keine falschen Versprechungen gemacht werden und gegenseitige Erwartungen offen angesprochen werden. Ein Tipp wäre, dass der psychologische Vertrag, gleich dem echten Arbeitsvertrag, schriftlich festgehalten wird und als Zusatz zum echten Arbeitsvertrag aufbewahrt wird. Dies schafft Verbindlichkeit und Transparenz.

 

Ebenso wichtig ist, dass der psychologische Vertrag im aufrechten Arbeitsverhältnis immer wieder evaluiert wird, da sich Erwartungen und Wünsche im Laufe der Zeit verändern können. Hier kann das Mitarbeitergespräch helfen, in dem man konkret die gegenseitigen Erwartungen besprechen und abgleichen kann. Der ständige Austausch und eine laufende und offene Kommunikation zwischen Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in sind das A und O für eine gute Zusammenarbeit. So kann sichergestellt werden, dass gegenseitige Erwartungen immer klar sind und entsprechend agiert werden kann. Eine offene Kommunikation über Erwartungen und Wünsche erfordert natürlich auch eine offene Unternehmenskultur, an der laufend gearbeitet werden sollte.

 

Mein Abschlussapell: Reden ist Gold, Schweigen ist Silber. Dies gilt für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen gleichermaßen – Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Erwartungen und Bedürfnisse zu kommunizieren ist herausfordernd, aber essenziell für eine gute Zusammenarbeit. Laufende und offene Kommunikation ist wichtig für das gegenseitige Verständnis und das Vermeiden vieler Irrtümer.  

Leave a Comment

* Wenn du dieses Formular nutzt, stimmst du dem Speichern und Nutzen deiner Daten auf dieser Webseite zu

© 2023 Uferwerk by Katrin Andraschko